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Abiturienten sind im Handwerk besonders glücklich

Ausbildung ist und bleibt die Voraussetzung, damit wir ausreichend qualifizierte Fachkräfte für die anstehenden Zukunftsaufgaben und damit für die Standortsicherung Deutschlands haben.

Fin Clas Classen hat seine Wahl, nach dem Studium ins Handwerk zu wechseln, nicht bereut. FOTO CAPT’N CAPTURE - FILMAGENTUR

Für die jüngeren Generationen sind Glück und Erfüllung im Beruf wichtig. Der vielfach propagierte Weg ins Studium passt nicht immer. Ein ehemaliger Student berichtet, warum er erst mit der Ausbildung im Handwerk sein Glück gefunden hat.Fin Clas Classen (32) studierte bis vor zwei Jahren Grafikdesign in Flensburg. Doch so recht identifizieren konnte er sich mit seinem Studium nicht. Deshalb fasste er mit Anfang 30 den Entschluss, das Studium abzubrechen und eine Ausbildung zum Tischler zu beginnen. Im August 2019 startete er mit der Ausbildung bei Tischlermeister Christian Schäfer neu durch.Besonders gefällt ihm an seinem neuen Beruf, Sachen mit den eigenen Händen zu schaffen: „Wenn man ein Stück Material vor sich hat und sieht, was daraus wird, dann befriedigt das. Man wird viel selbstbewusster und zufriedener mit jedem Stück, das man macht.“ Seither ist er jeden Tag voll motiviert. „Einfach lieber liegenbleiben? Vielleicht ein gelber Schein? Solche Gedanken kenne ich nicht.“

Mit dieser Motivation für seinen Beruf steht Fin Clas Classen nicht allein da. Eine Studie der Universität Göttingen mit dem Titel „Handwerksstolz“ hat das beruf liche Selbstbild und die Arbeitszufriedenheit im Handwerk untersucht. Aus ihr geht hervor, dass 84 Prozent der befragten Handwerker mit Abitur und Fachabitur in ihrem Beruf ihre Berufung sehen. Damit toppen sie die ohnehin hohen Werte aller in der Studie befragten Handwerkerinnen und Prozent.

Beruf als Teil der Persönlichkeit

Noch höhere Zustimmung erfährt die Frage nach dem Einfluss auf die eigene Person: 93 Prozent der Handwerker mit (Fach-) Abitur empfinden ihren Beruf als einen bedeutenden Teil ihrer Persönlichkeit und liegen damit 4,5 Prozentpunkte über dem Durchschnitt. Besonders geschätzt wird von den Abiturienten, dass ihnen ihr Beruf neue Herausforderungen bietet (Angabe von 92 Prozent der Befragten) sowie anregend und inspirierend ist (Angabe von 91 Prozent der Befragten).

Tatsächlich scheinen immer mehr Abiturienten zu erkennen, welche beruf lichen und persönlichen Chancen im Handwerk stecken. Begannen im Jahr 2015 noch 17.211 Abiturienten eine Ausbildung im Handwerk, waren es 2019 20.805 Abiturienten – satte 20,9 Prozent mehr. Die meisten Abiturienten können dabei die Ausbildungsberufe Kraftfahrzeugmechatroniker (2.656), Tischler (2.326), Elektroniker (2.066) und Zimmerer (1.189) für sich gewinnen.

Gemessen an der Gesamtzahl der Abiturienten ist der Anteil derer, die den Weg ins Handwerk finden, aber immer noch klein. Nur rund 5 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Hochschulreife entscheiden sich für eine Handwerksausbildung. Das Handwerk möchte diesen Anteil auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels weiter ausbauen.

Neben modernen Ausbildungsberufen spielen dabei Optionen zur Ausbildungszeitverkürzung sowie duale oder sogar triale Studienangebote – die handwerkliche Ausbildung, Meisterbrief und Hochschulabschluss verbinden – eine wichtige Rolle. Zudem hat sich das Handwerk in den vergangenen Jahren intensiv für das „BerufsAbitur“ stark gemacht, welches sich an leistungsstarke Schülerinnen und Schüler richtet, die Abitur und Berufsausbildung parallel erwerben können. Entsprechende Pilotprojekte zum „BerufsAbitur“ laufen bereits in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen.

„Die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten stellen eine wichtige Karrierealternative zu den viel beworbenen Studienberufen dar. Und wir sehen, dass sich gerade höhere Schulabschlüsse im Handwerk sehr wohl fühlen“, äußert dazu der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) Hans Peter Wollseifer.

„Lasst sie doch mal wieder entscheiden“

Dem entgegen steht jedoch eine gesellschaftliche Erwartung, die vielfach immer noch den Weg ins Studium als Nonplusultra für Abiturienten propagiert. Tischlermeister und Ausbilder Christian Schäfer weiß, welche Erwartung auf den jungen Menschen lastet, er bildet in seinem Betrieb derzeit 5 Auszubildende aus, allesamt Studienabbrecherinnen und -abbrecher. Aus seiner Sicht haben viele Schulabgänger viel zu wenig Spielraum, sich selbst zu verwirklichen. „Lasst sie doch mal wieder entscheiden. Nach der Ausbildung kann man auch noch studieren. Und es ist für viele Studiengänge sicherlich auch sinnvoll, vorher eine vernünftige Ausbildung zu machen.“

Viele Studienabbrecher

Die hohen Studienabbrecherzahlen, die Arbeitslosenquote unter Hochschulabsolventen sowie auf der anderen Seite der enorme Fachkräftebedarf im Handwerk zeigen, dass der Akademisierungswahn in Deutschland ein Holzweg ist.

Fin Clas Classen hat diesen Weg hinter sich gelassen: „Man muss halt für sich selbst abwägen können: macht es Sinn, dieses Studium fortzuführen, bevor man sich da den ganzen Frust reinfrisst? Da würde ich sagen, probiert lieber was anderen aus.“ Er hat den Schritt gewagt und ist glücklich im Handwerk angekommen.