Neue Angebote im Kreißsaal
Vertrauen in das Entbindungsteam, gute Aufklärung, selbstbestimmte Geburt – das sind Stichworte, die werdende Eltern heute bewegen, auch im Dattelner St. Vincenz-Krankenhaus: Viele kommen hier begeistert zur Geburtsvorbereitung, dürfen ihre Wünsche für die Geburt äußern. „Doch planbar ist dieser ganz besondere Moment ohnehin nicht“, so die leitende Oberärztin der Geburtshilfe Mirjam Morgen. Aber es werde alles dafür getan, dass es einer der schönsten im Leben ist. Auch deshalb bietet das Dattelner Krankenhaus nach längeren Corona bedingten Einschränkungen ab Mai wieder Infoabende sowie andere Angebote für werdende Eltern an. Mit ganz neuen Ideen. Welche das sind, und was die Geburtshilfe im St. Vincenz-Krankenhaus so herausragend macht, darüber sprach neben der Leitenden Oberärztin Dr. Mirjam Morgen auch Chefarzt Dr. Ralf Schulze mit uns.
Corona hat Sie lange ausgebremst, nun wird wieder gelockert. Was bedeutet das für Ihre Geburtshilfeklinik?
Dr. Schulze: Das St. Vincenz-Krankenhaus geht nach der Pandemie nun große Schritte in die Öffnung. Geburtsvorbereitungskurse, Rückbildungsgymnastik, Stillcafé, Hebammen-Sprechstunde, Wochenbettsprechstunde, geburtsvorbereitende Akupunktur oder Akupunktur/Taping bei Beschwerden, Babymassage – all das ist wieder machbar und wird noch besser. Ab Mai wird es Infoabende für werdende Eltern geben, die uns besonders am Herzen liegen. Denn viele Sorgen rund um die Geburt lassen sich dank guter Aufklärung frühzeitig aus der Welt schaffen. Typisches Beispiel: Nur fünf Prozent der Babys kommen tatsächlich am errechneten Geburtstermin auf die Welt. Doch wir sind heute so termingesteuert, da macht es vielen Schwangeren erst einmal Angst, wenn etwas nicht nach Plan verläuft. Bei den Infoabenden können werdende Eltern Vertrauen zu unserem bewusst frauenorientierten Geburtshilfe-Team fassen.
Dr. Morgen: Außerdem wird künftig auch eine virtuelle Kreißsaal-Besichtigung möglich sein, die Interessierte sich dann jederzeit online anschauen können.
Mit NRW-Fördermitteln soll ab 2024 ein Kreißsaal-Neubau gestemmt werden, kann man in der Online-Darstellung auch die Neuheiten sehen oder verraten Sie jetzt schon Hintergründe?
Dr. Morgen: Geplant ist ein Anbau Richtung Park, also an die ruhige Rückseite des Krankenhauses. Es wird ein größerer, modernerer Kreißsaal entstehen mit neuem Kaiserschnitt-OP, und es erfolgt ein Umbau der geburtshilflichen und neonatologischen Stationen. Dadurch können die beiden Fachabteilungen noch besser zusammenarbeiten und auch Kinder, die auf der Neonatologie liegen müssten, künftig auf der normalen Station versorgt und nicht mehr von der Mutter getrennt werden. Gutes Stichwort: Seit Jahresbeginn gibt es den Hebammengeleiteten Kreißsaal. Was steckt dahinter, und wie sind Ihre ersten Erfahrungen?
Dr. Schulze: Auf Wunsch der werdenden Eltern sind bei normalem Schwangerschaftsverlauf ausschließlich zwei Hebammen bei der Geburt dabei, keine Ärzte mehr. In zwei ausführlichen Vorgesprächen wird vorab gefiltert, für wen diese Möglichkeit in Frage kommt. Und sollte doch etwas nicht ganz rund laufen, ist jederzeit eine Überleitung möglich ohne das Zimmer im Kreißsaal wechseln zu müssen, etwa wenn eine PDA gewünscht ist oder Auffälligkeiten unter der Geburt vorhanden sind. Das ist schon eine kleine Besonderheit auch in Hinblick auf die Größenordnung: Eine große Geburtshilfe mit aktuell 2318 Geburten in 2022 muss man sich als Gesundheitseinrichtung leisten können, und das gelingt den Caritas-Kliniken mit sehr viel Erfahrung. Möglich ist das auch dank des bewährten Prinzips der Dienstbeleghebammen-Gemeinschaft. So sind die 22 aktiven Hebammen nicht direkt am Krankenhaus angestellt, sondern organisieren sich freiberuflich selbst im 24/7-Prinzip. Heißt: Rund um die Uhr ist eine optimale Versorgung der Frauen im Kreißsaal gewährleistet. In einem hoch motivierten Team.
Hoch motiviert sind auch Ihre Babylotsinnen. Was genau schultern sie?
Dr. Morgen: Babylotsen haben eine spezielle Ausbildung und gehören zu einem bundesweit verbreiteten Präventionsprogramm „zum vorbeugenden Kinderschutz und zur frühen Gesundheitsförderung von Kindern“. Das klingt etwas sperrig. Gemeint sind damit aber einfach besondere Personen, die ein freiwilliges und kostenloses Hilfsangebot für alle Familien die in Datteln ihr Kind bekommen, anbieten, Fragen rund um die neue Lebenssituation vor und nach Geburt beantworten, bei der Suche nach Hebammen ebenso helfen wie bei Antragstellungen – etwa zu Kindergeld, Elterngeld oder Haushaltshilfen. Sie sind gut vernetzt mit sozialen Hilfsangeboten auch in anderen Städten und hören zu, wenn Betroffene etwas auf dem Herzen haben. Und sie leiten an passende Hilfe-Stellen weiter. Sie nehmen auch uns Ärzten und Krankenschwestern sehr viel bürokratische Arbeit ab und kommen zum Beispiel zum Einsatz, wenn Frauen unter 18 Jahren ein Baby bekommen oder wenn in kinderreichen Familien das Geld für eine Sterilisation nicht reichen sollte. Bisher sind bei uns zwei Babylotsinnen im Einsatz, eine dritte Stelle ist noch in diesem Jahr geplant.
Es heißt, rund 25 Prozent der Frauen, erleben eine risikobehaftete Schwangerschaft und sollten bewusst in einem Perinatalzentrum wie dem in Datteln entbinden. Warum?
Dr. Schulze: Seit 1991 ist das Tür-an-Tür-Prinzip zwischen der Geburtshilfeabteilung und der Neonatologie der Vestischen Kinder- und Jugendklinik eine gute Basis im Hinblick auf die Sorgen werdender Eltern. Wir sind hier nicht nur besonders stolz auf die vergleichsweise niedrige Kaiserschnitt-Rate, hier überlebten in der Regel auch die kleinsten und schwächsten Frühchen aufgrund der hochwertigen Level-1-Versorgung. Auch die besondere Expertise aufgrund der besonderen Spezialisierung ist von unschätzbarem Wert. So ist das Perinatalzentrum in Datteln eines der ältesten und leistungsstärksten nicht nur in NRW, sondern gehört auch zu den zehn besten Häusern bundesweit, die Neonatologie und Geburtshilfe vereinen.
Was kann die Level-1-Versorgung? Was leisten Sie in Datteln auch im Hinblick auf die niedrige Kaiserschnittrate noch an Besonderheiten?
Dr. Morgen: Stolz sind wir etwa auf die vielen Mehrlingsgeburten – in 2022 waren es 133, davon drei Mal Drillinge. Bei guten Voraussetzungen können auch Zwillinge normal entbunden werden. Außerdem sind wir spezialisiert auf Steiß- bzw. Beckenendlagengeburten, bei denen wir den Frauen Ängste nehmen und sie mit unseren Empfehlungen häufig weg vom Kaiserschnitt führen, auch beim ersten Kind. Bitte nicht falsch verstehen: Ein Kaiserschnitt ist eine tolle Erfindung, kann Leben retten, aber er ist längst nicht immer notwendig. Sehr gute Expertise haben wir auch, wenn Frauen eine frühe Frühgeburt hatten oder ein Sternenkind geboren haben. Damit sie vor einer zweiten Schwangerschaft keine Angst haben müssen, können wir einen Totalen Muttermundsverschluss nach abgeschlossenem ersten Trimenon durchführen. Diese Naht hält meist bis zur Geburt. Das nehmen viele werdende Mütter sowohl aus dem Umkreis als auch bundesweit dankbar an.
Dr. Schulze: Unter der Geburt sollte man aber nicht zu sehr an Probleme denken, sondern sich fallen lassen, auf seinen Körper und auf die Erfahrung und Kompetenz der Experten vertrauen. Das ist unser Anspruch im St. Vincenz-Krankenhaus. Normal soll normal bleiben. Dafür wird alles getan. Ina Fischer