Gespräch mit Prof. Dr. Martin Büsing über roboter-assistierte Magenverkleinerungen
Es klingt wie in einem Science-Fiction-Film: Ein tonnenschwerer, hochtechnologischer Roboter mit vier Armen beugt sich wie eine Krake über einen schwergewichtigen Patienten und entfernt höchst präzise einen Teil seines Magens. Sein Name: Da Vinci Xi, angelehnt an den einstigen Universalgelehrten. In der Klinik für Adipositas- und Metabolische Chirurgie im Klinikum Vest, am Standort Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen, ist das keine Zukunftsmusik, sondern seit Mitte des Jahres Realität – und zwar eine noch sehr seltene. Mit Prof. Dr. Martin Büsing, Chefarzt der Klinik für Adipositas- und metabolische Chirurgie, sprachen wir über roboter-assistierte Magenverkleinerungen und wie es ist, wenn mehr als 35 Jahre chirurgische Erfahrung auf absolute Innovation treffen.
OP-Roboter wie da Vinci sind schon länger im Einsatz – warum hat Ihre Klinik ihn gerade jetzt angeschafft?
Ursprünglich ist die Urologie damit gestartet, wurde dann von den Gynäkologe überrundet – roboterassistierte Unterleibsoperationen sind derzeit weltweit am häufigsten. Unser vorrangiges Einsatzgebiet des OP-Roboters ist aber die Allgemein- und Viszeralchirurgie, die immer etwas länger braucht und erst in den letzten Jahren mit Magen- und Dünndarmoperationen per Roboter gestartet ist. Hier bieten sich heute insbesondere Wiederholungsoperationen mit dem da Vinci an, da sie sehr viel präziser sind. Mit dem High-Tech-Gerät werden aber bei uns in Recklinghausen vor allem auch Magenverkleinerungen durchgeführt. Das ist aktuell durchaus eine medizinische Besonderheit, eine Rarität. In der Adipositaschirurgie ist der Einsatz des OP-Roboters noch immer eher selten. Die Vorteile der roboter-assistierten Chirurgie liegen aber auch hier auf der Hand.
Welches sind denn die Vorteile?
Überall dort, wo bei einem Eingriff Nähte entstehen, profitieren die Patienten davon: Die von der Hand geführten Nähte bei konventionellen laparoskopischen Operationen sind wesentlich schwieriger zu schultern, weil wir zweidimensional arbeiten müssen. Maschinell gesteuerte Eingriffe dagegen ermöglichen eine 3 D-Optik, noch dazu vergrößert. Exakter und sicherer für den Patienten geht es nicht. Eine typische Magenverkleinerung um 80 Prozent ist so noch schonender, präziser und effizienter machbar.
Wie muss ich mir den Vorgang genau vorstellen?
Der Facharzt steht nicht am Patienten, sondern steuert die Operation von einer Konsole aus und gibt mit zwei Joysticks und mehreren Fußpedalen Kommandos an den Roboter weiter. Ein großer Vorteil ist, dass die Roboter-Arme 360-Grad-Bewegungen durchführen, wozu die menschliche Hand einfach nicht in der Lage ist. Das hilft etwa beim Vernähen. Obendrein haben wir eine deutlich stärkere Vergrößerung an der Konsole und können während der Operation viel mehr sehen.
Möglicherweise klingt es für den Patienten fremd, wenn er hört, dass er mithilfe eines OP-Roboters operiert wird. Sind diese Sorgen berechtigt?
Nein. Der Operateur hat selbstverständlich während der gesamten Operation die volle Kontrolle. Der Roboter operiert nicht alleine, sondern ist nur ein Umsetzungsgerät, das die Bewegungen des Operateurs umsetzt, quasi wie eine dritte Hand. Das ist hoch elegant, weil es nicht nur präzise ist, sondern Ermüdungserscheinungen bei langen Eingriffen und dem menschlichen Zittern vorbeugt und ergonomisch für den Operateur natürlich auch komfortabler ist. Übrigens: Die allermeisten Patienten stehen dem da Vinci erfahrungsgemäß sehr positiv gegenüber. Und mein Team hat den da Vinci Xi blitzartig etabliert. Im Juli haben wir die erste Operation damit geschultert, jetzt sind es schon mehr als 100.
Herr Prof. Dr. Büsing, Sie bringen über 30 Jahre Erfahrung als Chirurg und 25 Jahre als Chefarzt mit in den OP. Hand aufs Herz, wie sehr war Ihnen an der Anschaffung des da Vinci Xi gelegen?
Seit zwei Jahren ist es mir ein großes Anliegen, den OP-Roboter bei uns zu etablieren, und ich bin froh, dass die Geschäftsleitung der Anschaffung so positiv gegenüber stand. Für Eingriffe mit da Vinci Xi bekommen wir keine Extravergütung von den Krankenkassen, haben aber fallbezogene Mehrkosten von etwa 1000 Euro. Doch die Sicherheit und die höchste medizinische Versorgung unserer Patienten ist uns das wert.
Kommen denn Mehrkosten auf die Patienten, die eine Magenverkleinerung wünschen, zu?
Nein, bei uns wird jeder Patient, der das möchte, ohne Ansehen des Versicherungsstatus roboter-assistiert operiert, vorausgesetzt, es gibt keine Kontraindikation.
Für wen käme da Vinci denn nicht infrage?
Grundsätzlich können alle Patienten, die laparoskopisch operiert werden, auch mit da Vinci behandelt werden. Da gibt es keine extra Ausschlusskriterien. Nur diejenigen, mit einer sehr großen, oder wiederholten Bauch-OP müssen in seltenen Fällen offen operiert werden. Das betrifft aber maximal ein Prozent der Fälle.
Info: Das Klinikum Vest hat seine Riege an Chefärztinnen und -ärzten jetzt weiter aufgestockt, um die Patienten der Region künftig noch besser zu versorgen. Während Prof. Dr. Martin Büsing die chirurgische Klinik als Direktor und Chefarzt für Adipositas- und metabolische Chirurgie leitet, hat Priv.-Doz. Dr. Torsten Herzog im Juli die Chefarztposition der Allgemein- und Viszeralchirurgie im Knappschaftskrankenhaus übernommen.
Auf dem Gebiet der Adipositaschirurgie gehört die Recklinghäuser Klinik am Knappschaftskrankenhaus zu den führenden Zentren in Deutschland und ist seit 2010 von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie jeweils mit der höchsten Zertifizierungsstufe als Referenzzentrum bzw. Exzellenzzentrum zertifiziert. Ina Fischer